Helmut Volz, der Gründungsvater der Technischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Albrecht Winnacker[1]
Als der Bayerische Staatsminister Dr. Ludwig Huber am 22.6.1967 in seinem Glückwunschschreiben an den Erlanger Professor Helmut Volz seine große Freude darüber zum Ausdruck brachte, „daß dessen hervorragende Verdienste um das Wohl und das Ansehen des Freistaates Bayern und des bayerischen Volkes durch Verleihung des Bayerischen Verdienstordens ihre öffentliche Anerkennung gefunden haben“, da dachte der Staatsminister an die wenige Monate vorher erfolgte Gründung der Technischen Fakultät. Der Professor aber wird an die Jahre seiner heftigen Kämpfe gegen den hinhaltenden Widerstand der Ministerien des bayerischen Volkes gedacht haben. Wenigstens aber durfte er sich sagen, daß in diesem Fall dem Richtige der Orden zuteil wurde. Denn keiner hat sich um die Gründung der Technischen Fakultät so verdient gemacht wie Helmut Volz.
Jugend und wissenschaftlicher Werdegang
„Ich wurde am 01.08.1911 als Sohn des Oberinspektors Eugen Volz und seiner Ehefrau Pauline, geb. Schöck, in Göppingen geboren. Meine Eltern führten ein harmonisches Familienleben in kirchlich-christlichem Geiste. Die ersten Lebenseindrücke gewann ich in den Jahren des ersten Weltkrieges, und ich erinnere mich noch deutlich, wie ungewohnt es mich berührte, als die lange Reihe der schwarzumrandeten täglichen Todesanzeigen eines Tages aufhörte. Als hochaufgeschossener, bleicher und unterernährter Junge wuchs ich in die ersten Schuljahre hinein und durfte längere Zeit an der Stiftung der amerikanischen Quäkerspeisung teilnehmen, durch die manche von uns Schülern täglich ein zusätzliches Frühstück bekamen“.[2]
Diese Schilderung seiner frühen Jugend macht stichwortartig den biographischen Hintergrund deutlich, der Helmut Volz geprägt hat: Die gutbürgerliche Welt einer Beamtenfamilie, ihre Verwurzelung in den traditionellen Werten, die Erschütterung dieser Welt durch den Ersten Weltkrieg, die äußere, aber auch innere Not seines Ausgangs. Aus dem wohletablierten Bürgertum des Kaiserreiches waren Empfänger amerikanischer milder Gaben geworden.
Auch dass diese Erinnerungen Teil der Angaben sind, die Helmut Volz in dem amerikanischen Fragebogen zur Entnazifizierung 1946 machte, ist bezeichnend für den Lebensweg dieser Generation, die sich mit ihren überkommenen Idealen nie erlebten und nie für möglich gehaltenen Geschehnissen und Anforderungen ausgesetzt sah.
„Er beabsichtigt“, so bezeugt das Zeugnis der Reife des Realgymnasiums Göppingen, „sich dem Studium der Physik zu widmen“. Gesagt, getan. Wie es sich für einen Spross der schwäbischen Intelligentia gehörte, ging Volz dieser Absicht in Tübingen nach. Talent, Neigung und Zufall fügten es, dass Volz aus der durch Ablegen des 1. und 2. Staatsexamens vorgezeichneten Laufbahn des Mathematik- und Physiklehrers im württembergischen Schuldienst ausbrach und eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug. Eine wissenschaftliche Hilfskraftstelle in Tübingen ermöglichte ihm die Promotion bei Hans Geiger[3], die er am 28.11.1935 erfolgreich abschloss. Ein Stipendium der Universität Tübingen gewährte ihm einen zweijährigen Postdoktorandenaufenthalt bei Werner Heisenberg in Leipzig. Von dort rief ihn Geiger, inzwischen nach Berlin berufen, an sein Institut an der TH Berlin-Charlottenburg. Hier war er von November 1937 an wissenschaftlicher Assistent. Zum 1.4.1944 erhielt er einen Ruf nach Erlangen, zunächst als Verwalter des Lehrstuhls für Theoretische Physik, der durch die Berufung des bedeutenden Helmut Hönl nach Freiburg verwaist war. Später zum ordentlichen Professor ernannt, blieb H. Volz fortan in Erlangen. Nur wenige Wochen nach seiner Emeritierung starb er nach einer kurzen Krebserkrankung am 5. Oktober 1978.
Sein Lebenslauf, so glatt er sich von den äußeren Daten her liest, umfasst die Wirren und Katastrophen der deutschen Geschichte der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts: Ein geborener Zivilist wurde Soldat und in Kriegsforschung verwickelt, ein unpolitischer Mensch wurde in den Totalitarismus verstrickt.
Im Herbst 1938 war er als Angehöriger der zu diesem Anlass mobilisierten Verbände bei dem Einmarsch ins Sudentenland dabei. Gleich zu Kriegsbeginn, am 1.9.39, musste er wiederum einrücken. In einer kleinen Abhandlung „Wie für mich der Krieg begann“[4], schildert er das Chaos der ersten Kriegstage, die er in der Etappe im südlichen Schwarzwald erlebte. Bekanntlich machte der Krieg sich im Westen zunächst, vor dem deutschen Angriff auf Frankreich im Mai 1940, als „drole de guerre“ bemerkbar. Entsprechend drollig liest es sich auch, wie er sich kraft seines physikalischen Verstandes den Vorgesetzten unentbehrlich machte und so dem Kommisbetrieb weitgehend entzog.
Noch ehe der Krieg im Westen in eine weniger vergnügliche Phase eintrat, ereilte ihn ein mysteriöser Ruf: Er wurde aus der Wehrmacht entlassen und nach Berlin zum Heereswaffenamt befohlen. „Nach kurzer Militärzeit“, so schreibt er darüber[5], „hatte ich vom Frühjahr 1940 ab Forschungsarbeiten insbesondere über die Physik der Atomkerne durchzuführen, daneben nahm ich vom Frühjahr 1941 ab meine vorherige Unterrichtstätigkeit wieder auf“. Was verbarg sich dahinter? Im Heereswaffenamt hatte sich bereits im September/Oktober 1939 eine Gruppe renommierter Physiker und Chemiker zum sog. „Uranverein“ formiert, die sich der möglichen militärischen Bedeutung der kurz zuvor entdeckten Kernspaltung bewusst waren und die politische und militärische Führung darauf auch hinwiesen. Dazu gehörten maßgeblich auch Heisenberg und Geiger. Es war wohl Geiger, der darauf hinwirkte, dass Volz nach Berlin zurückgeholt wurde und in nicht recht geklärter Weise in das Uranprojekt eingebunden war. Er selbst hat darüber nicht gesprochen, nicht einmal gegenüber seiner Familie. Sicherlich spielte er keine herausragende Rolle. In den bekannten Darstellungen des deutschen Atombombenprojektes taucht sein Name kaum auf. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich darin, dass zwischen seinem Arbeitsgebiet „Kernphysik“ und dem militärischen Interesse in dieser Zeit und in dieser Situation zwangsläufig ein starker Überlapp bestand. Der Titel seiner Habilitationsschrift „Wirkungsquerschnitte für die Absorption langsamer Neutronen“ aus dem Jahr 1943 ist bezeichnend dafür: Das Thema war gleichermaßen von wissenschaftlicher Bedeutung wie von Interesse für das „Uranprojekt“.
Am 6.2.47 erhielt Volz, damals ein 35jähriger Familienvater mit zwei kleinen Kindern, wie weitere 71 Erlanger Hochschullehrer den folgenden Brief[6] des Bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus Alois Hundhammer (der mit dem imposanten Bart):
Betreff. Entlassung aus dem Dienst
Die Militärregierung teilt mit Schreiben vom 31.Jan. 1947 AG 350 MGBAE mit, daß Sie im Rahmen der neuerlichen Überprüfung des Lehrkörpers der Universität Erlangen für die Verwendung an der Universität als ungeeignet erachtet werden. Sie sind hiermit mit sofortiger Wirkung aus dem Dienst entlassen. Mit der Entfernung von der Universität verlieren Sie alle Rechte auf Pension.
Dieser Vorgang hat in den folgenden Jahrzehnten gelegentlich Anlass zu Gerüchten über Volz’ Stellung zum Nationalsozialismus gegeben. Wie war es wirklich?
Seinen Eintritt in die SA schildert er in der „Lebensbeschreibung“ wie folgt:
„Im Verlauf dieses Ausbildungsjahres (1933/34) wurde uns von der Schulbehörde nahegelegt, uns im Interesse einer späteren Anstellung irgendeiner NS-Organisation anzuschließen. Wenn auch den meisten von uns der Gedanke, ab und zu in Uniform umherlaufen zu müssen, reichlich seltsam vorkam, so hatte doch einerseits die Machtergreifung Hitlers nach der vorhergehenden niederdrückenden Zeit der Arbeitslosigkeit im ganzen Volke viele Hoffnungen erweckt und auch wir jungen Menschen hatten uns dem nicht entziehen können, und dazumal blieb uns ja gegenüber der Aufforderung der Schulbehörde kaum eine Wahl. So schlossen wir uns gemeinsam einer SA-Formation an.“
Vieles Zeittypische kommt in dieser Erinnerung zum Ausdruck: Fremdheit gegenüber den militaristischen Erscheinungsformen des Nationalsozialismus einerseits, Opportunismus, aber auch das Gefühl des hoffnungsvollen Neubeginns 1933 nach der Misere der großen Wirtschaftskrise andererseits. Seit dem 1.5.37 gehört er der NSDAP an mit Mitgliedsnummer 5586616. Es heißt, er sei als SA-Mitglied 1938 übernommen worden mit Rückdatierung um ein Jahr. Ämter oder höhere Dienstränge in Partei oder SA hatte er keine. In der Stellungnahme, die die (nationalsozialistische) „Erlanger Dozentenschaft“ anlässlich seines Berufungsverfahrens zu seiner politischen Zuverlässigkeit abzugeben hatte, heißt es[7]: „Da er sich ganz auf seine wissenschaftliche Arbeit zurückgezogen hat, hat er bisher wenig politischen Einsatz geleistet.“ Nach seiner Entlassung traten seine Erlanger Kollegen Hilsch und Haupt, aber auch weitere bedeutende Kollegen wie Sommerfeld, Houtermans und Heisenberg nachdrücklich (und erfolgreich) für ihn ein, indem sie ihn als ganz und gar unpolitischen Menschen schildern. So stellt ihn auch sein Sohn Gerhard Volz dar.[8] Es trifft ihn somit der Vorwurf, der den unpolitischen Menschen vor dem Angesicht des Totalitarismus trifft. Ein gerechter Vorwurf, solange er nicht mit der Selbstgerechtigkeit des spät geborenen Widerstandskämpfers daherkommt!
Privatmann und Familienvater
Der Verfasser dieser Seiten hatte Gelegenheit, Menschen zu sprechen, die Helmut Volz noch persönlich erlebt haben: Sie alle schildern ihn als hochintelligenten, lebhaften und kultivierten Gesprächspartner. Der Theologe Manfred Seitz, der bei seiner Beerdigung die Predigt hielt, erinnert sich seiner lebhaften Streitbarkeit, wenn es um Erscheinungsformen der Kirche ging. Umso überraschender muss es anmuten, wenn er in der Erinnerung seines Sohnes Gerhard als ein Mensch geschildert wird, der von sich aus keinerlei Bedürfnis hatte, unter Menschen zu kommen:
„Wer von seinen Gästen hätte je vermutet, dass dieser witzige und schlagfertige Gastgeber von seiner Frau jedes Mal nur mit größter Mühe und Aufbietung all ihrer Überredungskunst dazu gebracht werden konnte, an solchen Gelegenheiten überhaupt teilzunehmen“.[9] Wie manche, die –vielleicht als Kehrseite ihrer intellektuellen Überlegenheit _ wenig Interesse an anderen Menschen entwickeln, hatte Helmut Volz offenbar ein sehr herzliches Verhältnis zu kleinen Kindern in seiner engeren und weiteren Familie, wie bezeugt wird.
Die Frau, die ihn nach Auskunft des obigen Zitats vor der gesellschaftlichen Vereinsamung bewahrte, war seine Ehefrau Renate, geb. Ritter. Seine erste Frau Irmgard, geb. Wolff, starb 1943 im Zusammenhang mit der Geburt der zweiten Tochter. Die Situation des jungen Witwers mit den zwei kleinen Töchtern Hanna und Inge endete in der Episode einer kurzen Ehe mit der besten Freundin seiner verstorbenen Frau, die nach der Geburt eines Sohnes Jochen in die Brüche ging. Dreizehn verschiedene Haushälterinnen in dreizehn Jahren sprechen eine beredte Sprache über die schwierigen bis chaotischen privaten Verhältnisse, die dieser Scheidung folgten. 1956 lernte er die 10 Jahre jüngere Renate Ritter kennen, die wieder Geborgenheit und Ordnung in sein Leben brachte. Sie war die Tochter des berühmten Freiburger Historikers Gerhard Ritter. Es spricht gleichfalls für seine hohe und umfassende Bildung, dass sich zu dem Schwiegervater rasch ein herzliches Verhältnis, getragen von gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung, herausbildete. Ausdruck dieser Nähe mag es sein, dass der 1959 geborene jüngste Sohn den Vornamen des Schwiegervaters erhielt. Frau Renate brachte eine Ferienwohnung oberhalb des Gardasees und ein malerisches, wunderbar gelegenes Schwarzwaldhaus in Saig nicht weit von Freiburg mit in die Ehe. Das Saiger Häuschen nutzte Volz für jährliche Seminare mit seinen Doktoranden und Assistenten in zwangloser und gelöster Atmosphäre, die er sonst in seiner anspruchsvollen akademischen Strenge nicht verbreitete. Die Wohnung am Gardasee erlangte auch insofern Bedeutung, als in der Nähe der Ministerialdirigent Hans Brand, der eine wichtige Rolle bei Gründung der Technischen Fakultät spielen sollte, gleichfalls ein Feriendomizil hatte. Hier, in der Ruhe der Ferien und der Schönheit der Landschaft, entstand wohl manche Idee auf dem Weg zur Technischen Fakultät, wurde das vertrauensvolle Verhältnis zwischen den beiden Akteuren vorbereitet.
Das tägliche Leben der Familie Volz war von der Bescheidenheit der Nachkriegszeit geprägt. In dem Einfamilienhaus, das Anfang der sechziger Jahre am Winkelweg in Erlangen entstand, waren zwei Zimmer an Studenten vermietet selbst in Zeiten, als drei eigene Kinder im Haus aufwuchsen. An Reisen wurde kaum gedacht, aber das Schicksal meinte es besser: Auf die alten Tage gewannen die Volzens von der Bausparkasse Schwäbisch Hall eine Reise nach Sri Lanka und Thailand, die sie mit großer Freude genossen.
Gründungsvater der Technischen Fakultät
Mit der Gründung der Technischen Fakultät hat sich Helmut Volz ein bleibendes Denkmal gesetzt. Seine maßgebliche Rolle ist unbestritten: Er war Mitglied der Kommission der Naturwissenschaftlichen Fakultät, die ab 1957 das Thema Technische Fakultät bearbeitete. Er gehörte dem „Plettner-Ausschuss“ an, der im Jahre 1961 die grundlegenden Gedanken entwickelte. Als Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät von 1961 – 1963, als Senatsbeauftragter der Universität für die Technische Fakultät und als deren erster Dekan 1966/67 trug er maßgeblich Verantwortung für die Umsetzung dieser Gedanken. Es war ihm auch gegeben, die Idee mit rhetorischem Schwung gegenüber Politik und Öffentlichkeit überzeugend zu vertreten und verständlich zu machen. Berühmt ist sein Schreiben an alle Landtagsabgeordneten aus dem Jahr 1962, in dem es heißt:
„Diese Technische Fakultät soll und muss kommen und wird einen neuen Zug in das wissenschaftliche Leben Deutschlands bringen. Sie soll dokumentieren, dass die Technik mitten hinein gehört in die übrigen Bereiche unserer geistigen Kultur, und sie soll unserem Land Ingenieure von einem neuen Typus liefern, die ganz nahe bei den mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen aufgewachsen...sind“.
Wie singulär Volz in seinem Konzept und seiner Formulierungskraft war, geht schon aus der Tatsache hervor, dass die große Idee weder Nachahmung andernorts gefunden hat noch bis heute im Selbstverständnis der eigenen Universität mutig zu Ende gedacht wurde. Dennoch: Auch das Unvollendete ist groß und bedeutend genug!
Den gleichen rhetorischen Schwung beweist Volz im übrigen auch in seiner Korrespondenz mit den bayerischen Ministerien, die das große Projekt in der gewohnten bürokratischen Schwerfälligkeit begleiteten. Es sind Briefe archiviert, die der Rektor vorsichtshalber gar nicht nach München weiter leitete, weil dies nach seinem weisen Dafürhalten „kontraproduktiv“ gewesen wäre.
Zu guter Letzt mag noch die Frage angebracht sein, wie es wohl in Werdegang und Persönlichkeit von Helmut Volz angelegt war, dass ausgerechnet ein theoretischer Physiker, Angehöriger einer Spezies, die von den Ingenieuren eher mit Misstrauen betrachtet wird, zum Gründungsvater der Technischen Fakultät wurde? Die Antwort muss wohl lauten: Volz war kein reiner Theoretiker, und er war nicht „nur“ Wissenschaftler.
Ein reiner Theoretiker konnte Volz bei seinem Doktorvater und späteren Mentor Geiger gar nicht werden. Geiger war ein bedeutender Vertreter der experimentellen Kernphysik. Die Volzschen Arbeiten seiner Berliner Zeit stehen in engem Bezug zu Fragen des Reaktorbaus oder auch (gewollt oder ungewollt in dieser Zeit) zur kriegstechnischen Anwendung. Zur theoretischen Physik kam er durch seine beiden Lehrjahre bei Heisenberg. Aber auch Heisenberg, wenngleich wohl der radikalste Neuerer unter den Pionieren der modernen Atomphysik, war doch in seinem Denken und seinen Ambitionen kein reiner Theoretiker! Es ging ihm um den gesamten Wirkungskreis der Physik und Naturwissenschaft. Dies manifestiert sich in der sehr umstrittenen Führungsrolle, die er im Zusammenhang mit den deutschen Arbeiten zur Kernspaltung im Zweiten Weltkrieg spielte, aber auch in seinem Wirken nach dem Krieg beim Wiederaufbau der deutschen Wissenschaft. Volz, so können wir festhalten, war von seiner wissenschaftlichen Prägung her der Idee der technischen Umsetzung von Naturwissenschaft eng verbunden. Sein eigenes Fach, die Kernphysik, welche dieses Potential moderner Naturwissenschaft im 20ten Jahrhundert wahrhaft eindrucksvoll verkörperte, legte ihm diesen Schritt von den Grundlagen zur Anwendung wohl besonders nahe. Dieser Grundzug seines Denkens wird ihm auch den Zugang zu führenden technisch-wissenschaftlichen Vertretern des Hauses Siemens erleichtert haben, die eine wesentliche Rolle bei der Gründung der Technischen Fakultät spielten.
Und: Helmut Volz war wohl nicht ausschließlich Wissenschaftler und wollte dies auch nicht sein. Vielleicht spürte er auch selbst, dass er in seinen späteren Jahren –gemessen an seinem fulminanten Start und seiner intellektuellen Brillanz _ nicht mehr eigentlich wissenschaftlich kreativ war. Es kam ihm zur Hilfe, dass er über ein gehöriges praktisches Managementtalent verfügte, das nur der richtigen Idee bedurfte, um von ihm mit der ihm eigenen Tatkraft umgesetzt zu werden. Diese Idee begegnete ihm auf zwei ausführlichen USA-Reisen zu Anfang der 60iger Jahre in Gestalt des amerikanischen Universitätswesens, das reine Wissenschaft und technische Nutzung traditionell besser zu verbinden weiß. Wir können uns heute kaum eine Vorstellung machen von dem Maße, in dem Deutschland in den Jahrzehnten seit Beginn des Ersten Weltkriegs von der Welt isoliert war. Der an sich nicht besonders reiselustige Volz gliedert sich mit diesen Reisen ein in den Kreis deutscher Wissenschaftler und Unternehmer, die mit offenen Augen in die „Neue Welt“ hinausfuhren, sobald dies wieder möglich war, und voller Anregungen für den Wiederaufbau und die Modernisierung Deutschlands zurückkamen. So hat er in der Gründung der Technischen Fakultät seine große, ihm gemäße Aufgabe gesucht und gefunden.
[1] Alle Bilder dieses Aufsatzes sind der Festschrift 40 Jahre Technische Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg entnommen, wo dieser Aufsatz erschienen ist.
[2] Aus einer von seinem Sohn Dr. Gerhard Volz gefertigten Zusammenstellung autobiographischer Texte seines Vaters („Lebensbeschreibung von Prof. Dr. Helmut Volz (1911 – 1978)“, im Folgenden zitiert als „Lebensbeschreibung“) im Universitätsarchiv (UAE: G1/1 Nr. 25). Herrn Universitätsarchivar Dr. Clemens Wachter danke ich für den Hinweis auf Unterlagen zu H. Volz im Archiv der FAU, wertvolle fachmännische Anregungen und kritische Lektüre des Manuskripts.
[3]Über Fachkreise hinaus bekannt als Erfinder des Geigerzählrohrs. Es ist erwähnenswert, dass auch der Lebensweg Geigers mit Erlangen verbunden ist, s. z.B. Erlanger Stadtlexikon, Hersg. Christoph Friederich, Bertold Frhr. von Haller und Andreas Jakob, W. Tümmels Verlag Nürnberg 2002.
[4] „Lebensbeschreibung“, s. Fußnote 1.
[5] Aus der Beantwortung eines Personalfragebogen der amerikanischen Militärregierung, „Lebensbeschreibung“, s. Fußnote 1 (UAE: G1/1 Nr. 25).
[6] Personalakte, Universitätsarchiv (UAE: F2/1 Nr. 2495).
[7] Personalakte H. Volz (UAE: F2/1 Nr. 2495).
[8] Dr. Gerhard Volz hat mir in dankenswerter und überaus hilfreicher Weise eine recht persönlich gehaltene Schrift „ Das Leben des Professors Dr. Helmut Friedrich Volz, meines Vaters“ zur Verfügung gestellt und im Gespräch manche illustrierende Erläuterung dazu gegeben. Auch die beiden Bilder wurden von ihm zur Verfügung gestellt.
[9] Aus der Schrift von Dr. Gerhard Volz, s. Fußnote 7